01.03.2021 Robert Habeck hat die Festrede zur Verleihung des Max-Weber-Preises für Wirtschaftsethik gehalten. Das Institut der deutschen Wirtschaft zeichnet Nachwuchswissenschaftler*innen für herausragende Beiträge zur Wirtschafts- und Unternehmensethik aus. In seiner Rede stellt er ein Wirtschaftssystem in Frage, das nur auf Wachstum ausgelegt ist und plädiert für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Anbei Auszüge seiner Rede.

Wir, die heutige Generation und vor allem wir in den reichen Ländern der nordwestlichen Hemisphäre, verbrauchen mehr als wir haben. Wir leben von geborgter Zeit und geliehenem Wohlstand. …

Die Mehrung von Gewinn und Eigentum durch Wachstum als Ziel des kapitalistischen Wirtschaftens kann nicht mehr Selbstzweck sein. Es muss sich anderen Werten unterordnen, Werten, die die Ausbeutung der einen nicht zum Nutzen der anderen machen, sondern Werten, die aus der Globalisierung eine globale Verantwortung machen.

Wenn Weber recht hat, dass Denken und Glauben unsere Wirtschaftsweise prägen, dann stellt sich die Frage, wie und ob die globale Pandemie das Denken verändern kann oder wird. …

Martin Luther King hielt am 18. März 1968, kurz vor seiner Ermordung, eine Rede in Memphis vor streikenden Müllleuten. Erlauben Sie mir, sie hier zu zitieren: „So often we overlook the work and the significance of those who are not in professional jobs, of those who are not in the so-called big jobs. But let me say to you tonight, that whenever you are engaged in work that serves humanity and is for the building of humanity, it has dignity, and it has worth. One day our society must come to see this. One day our society will come to respect the sanitation worker if it is to survive, for the person who picks up our garbage, in the final analysis, is as significant as the physician, for if he doesn’t do his job, diseases are rampant. All labor has dignity.“ (Zitat Ende)

Der Mensch, der unseren Müll aufnimmt, ist genauso wichtig wie der Arzt. Wenn der eine seinen Job nicht macht, verbreiten sich Krankheiten, wenn der andere es nicht tut, genauso. …

Vielleicht beginnt grad nach einem Jahrzehnt des rechten Populismus eine neue Dekade des Humanismus, eine neue Renaissance, in der Gewinne investiert werden und nicht Leben sich im Orbit der Wirtschaft befindet, sondern umgekehrt. Weil eine gemeinsam durchgestandene Ausnahmesituation zeigt, dass wir es gemeinsam besser können, gemeinsam schaffen können. Weil wir wissen, dass eine bestandene Gefahr Gemeinschaft schafft. Das wäre dann die Grundlage für einen anderen Kapitalismus, vielleicht für etwas ganz anderes, das heute noch keinen Namen hat. Eine Geschichte, die noch nicht geschrieben ist. Aber ist es nicht das, was wir eigentlich alle einmal erleben wollen? Teil einer Geschichte zu sein, die wir selbst schreiben, die wir zusammen schreiben? Und wenn eine oder einer von ihnen ein neuer Max Weber werden sollte, wäre es nicht großartig, er oder sie würde am Ende der Karriere ein großes Buch verfassen mit dem Titel „Die pandemische Ethik und der Gemeinschaftsgeist?“ Und der Ausgangspunkt ist das Jahr dieser Preisverleihung. Ich hoffe, Sie laden mich dann zur Buchpremiere ein.